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Fussball, mehr als nur Sport!
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Fish & Chips and Kick & Rush

von Dr. Martin Schwob

Dublin, den 22.11.2005

Vorweg: Fussball in Irland ist anders. Es ist natürlich Fussball. Und natürlich wird mit zwei Mannschaften mit jeweils zehn Feldspielern und einem Torwart gespielt, aber das war es schon fast. Ein Bericht des Spiels Bohemians Dublin gegen Shelbourne FC.
Ich sitze im Bus und bin gespannt auf das Spiel, dass ich heute besuchen werde. Der Tabellen Fünfte der Ersten Irischen Liga hat den Tabellen Dritten zu Gast. Ein Derby! Ein Club aus Norddublin gegen einen aus dem Süden der Stadt. Da muss jede Menge Feuer in dem Spiel sein, oder? Die erste Überraschung habe ich schon hinter mir: als ich bei irischen Kollegen nachfrage ob es den Möglich sei für dieses Derby eine Karte zu bekommen, da grinsen diese nur und sagen: 'No problem'. Stadion in Dublin
Ich sitze also im Bus ohne Karte und halte gespannt Ausschau ob ich irgendwo das Stadion erspähen kann. Plötzlich entdecke ich es. Bzw. die Flutlichtanlage, das Stadion ist versteckt hinter einer Häuserreihe von 'semi-detached houses'. Also schnell ausgestiegen und los geht's. Da ich keine Strasse zwichen den Häusern sehe gehe ich die nächste Querstrasse entlang. Doch auch hier kein grösser Platz vor dem Stadion nur Häuser. Ich laufe die Strasse entlang und sehe eine kleine Gasse die nach rechts abbiegt. Ja, hier geht's zum Stadion. Das Stadion scheint nicht allzu groß und relativ alt. Der Eingang geht durch ein orange getünchtes altes Drehkreuz. Der Kassierer verkauft mir ein Tiket für 15 €. Der Durchgang zu den Tribünen erinnert an eine alte Fabrik. Dann stehe ich vor dem Spielfeld. Hinter mir erhebt sich die überdachte Heimtribüne. Hinter dem Rechten Tor ist eine (wohl stillgelegte) nicht überdachte Stehplatztribüne, die mit Fahnen und Spruchbändern uebersät ist. Hinter dem Linken Tor erscheint eine weitere Tribüne. Diese ist nur zur Haelfte (auf der gegenueberliegenden Seite) überdacht. Die Gegengerade ist für die Gäste reserviert. Allerdings nur zur Hälfte. Die andere Hälfte wird von einem Parkplatz in Anspruch genommen. Die Gästetribuene ist und überdacht und - leer!
Es ist noch eine dreiviertel Stunde bis zum Anpfiff. Ich gehe die Stufen hoch und setze mich. Es ist generell noch recht leer. Ich sehe mich um. Die anderen Zuschauer genießen Fish & Chips.
Vor dem Spiel passiert nicht mehr viel. Eine Jugendmannschaft der Bohemians spielt zehn Minuten vor Anpfiff noch ein kleines Unterhaltungsmatch und neben mir nehmen zwei Fussball Fans aus Paderborn platz.
Die Gegentribüne ist immernoch leer. Doch während des Spiels wird mir klar, dass die Gäste Fans sich auf der Tribüne zur Linken befinden. Die Farben der Clubs ähneln sich: Bohemians rot-schwarz, Shelbourne rot-weiss.
Das Spiel geht los. Viel kick and rush. Dann die erste gute Aktion von Shelbourne. Die 8 setzt sich durch passt gefährlich in den Strafraum, Drehschuss, knapp vorbei. Zwei Minuten später macht die Nummer 8 erneut auf sich aufmerksam. Ein Alleingang von linksaussen, dann der Abschluss vor dem Strafraum, knapp vorbei. Das Spiel plätschert vor sich hin, gute Aktionen werden von haarsträubenden Fehlern zu nichte gemacht. gefährliche Pässe werden vom Empfänger verstolpert. Fouls? Der Schiedsrichter pfeifft selten. Vielleicht fünfmal in der ersten Halbzeit, aber es gibt trotzdem eine gelbe Karte. Der Spielfluss, wenn man so will, wird kaum gebremst. Höchstens dadurch, dass die 2 von Boehemians den Einwurf nicht über die Seitenausliene wirft und so das Procedere ein zweites mal ausführen darf. Ein drittes mal und es klappt.
Der Beobachter fragt sich bei manchen Schiedsrichterentscheidungen, was die denn soll, doch es wird nicht gemeckert. Es geht recht fair zu.
Halbzeit. Das Halbzeitprogramm besteht aus zwei zeitgleich ausgetragenen Jugendspielen (vermutlich F- und E-Jugend), die links und rechts der Mittellinie auf durch Stangen markierte Tore spielen. Am Spielfeldrand wird der Kalender für 2006 verkauft und der Stadionsprecher verlost ein paar Preise aus einer alten, hölzenern Lostrommel. Ein paar Teenager kommen an den Spielfeldrand und rufen ihn zu sich. Er soll Geburtstagsgrüße ausrichten, eine ihrer Freundinen wird 16. Ich nutze die Halbzeit um eine SMS an einen Bekannten aus der Fussballbranche zu schreiben. Die Pause ist vorbei und das Spiel geht weiter.
Die zweite Halbzeit ist besser als die erste. Ich beantworte gerade eine SMS meines Bekannten da fällt das 0:1. Es wird laut im Stadion. Ich habe das Tor nicht gesehen. Wer denkt, kein Problem, dann schaut man sich die Wiederholung auf der Anzeigetafel an täuscht sich. Anzeigetafel gibt es hier nicht. Und das bedeutet nicht Videowand gibt es nicht, es bedeutet Anzeigetafel gibt es nicht. Wer jetzt ins Stadion kommt muss jemand anderes fragen wie es steht, denn der Spielstand ist nirgends sichtbar. Jetzt geht es endlich zur Sache. Und als der Schiedsrichter Freistoß für die Gäste direkt vor den Heimfans pfeifft, fliegen plötzlich Gegenstände auf den Rasen. Vor den Fans bauen sich ca. 10 bis 15 Ordner auf. Es geht ein Raunen durchs Stadion nach ein paar Minuten geht das Spiel weiter und wie: Der Freistoss wird mit einem langen Ball nach vorne ausgeführt, der Ball landet bei der Nummer 10 von Shelbourne der dringt in den Strafraum ein und tunnelt den Torwart: 0:2! Die Heimfans gröhlen Schmährufe, die Gäste jubeln. Dann rennt der Torschütze nach hinten, nicht zu den eigenen Fans die hinter Shelbournes Tor stehen, sondern in Richtung der Gäste Fans, die links neben mir in der selben Richtung stehen. Die Masse der Heimfans bewegt sich Richtung Spielfeld ein paar rennen wütend aufs Spielfeld, werden aber von Ordnern eingefangen. Wieder fliegen Gegenstände auf das Spielfeld. Aber alles in allem scheint dies nichts besonderes zu sein. Nach kurzer Unterbrechung wird auch jetzt das Spiel fortgesetzt. Die Gastgeber werden stärker und erspielen sich jetzt einige Chancen. Die Gäste aus Shelbourne bleiben durch Konter gefährlich. Das 0:3 fällt über eben so einen. Wieder kurze Unterbrechung. Am Ende steht es 0:3. Das Spiel wird nach kurzer Nachspielzeit abgepfiffen. Und dann geschieht etwas, was man nach diesem Spielverlauf wohl selten in Deutschland erleben würde: Die komplette Heimtribüne steht auf und klatscht ihrer Mannschaft Beifall. Das Ergebnis war nebensächlich. Wichtig war, dass hier ihre Mannschaft gespielt hat. Und Einsatz gezeigt hat. Bis zur letzten Minute gekämpft hat.
Ich gehe mit diesem Eindruck aus dem Stadion und denke mir: Fussball in Irland ist anders!

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